Yoko Tsuno
Yoko Tsuno: Herkunft, Geschichte und eine Beziehung in Blau
Das Yoko Tsuno einmal die Heldin einer eigenständigen Geschichte werden sollte, konnte sie anfangs sicherlich nicht wissen. Roger Leloup, der Zeichner und Autor hatte sie ursprünglich als Nebenfigur für Jacky et Célestin konzipiert. Eine Serie aus der Feder von Peyo (der mit den Schlümpfen), die man hier eher weniger kennen dürfte (jedenfalls geht es mir so) und die Peyo Leloup ursprünglich anvertrauen wollte.
Er zeichnete bereits 1968 ein junges japanisches Mädchen, dass sich dem Duo anschließen sollte und dann war die Idee erst einmal vergessen. Der Verlag Dupuis suchte einige Zeit später eine Serie, die sowohl im französischen Magazin Spirou als auch in der Zeitschrift „Eltern“ in Deutschland erscheinen sollte. Roger stellte daraufhin Jacky und Célestin dafür vor, was aber abgelehnt wurde. Dupuis wollte lieber neue Figuren sehen.
Yoko Tsuno - die Orgel des Teufels - auch eine Geschichte, die in Deutschland spielt
Also machte sich Leloup an die Ausarbeitung einiger Testzeichnungen mit den Helden Vic Video, Knut Knolle und als Nebenfigur des Duos: Yoko. Überzeugt von den eigenen Bildern und mit der Unterstützung des Verlages bat Leloup darum, komplette Geschichten mit Yoko als Hauptperson realisieren zu dürfen. Ein Vorfall der Ende der 60er Jahre fast undenkbar war: Eine Frau als Comic-Heldin?
Neben einigen Kurzgeschichten erschien dann schließlich auch das erste Album: Die beiden TV-Spezialisten Vic Video und Knut Knolle treffen eines Nachts auf die Elektronikerin Yoko Tsuno. Von der sie erst glauben, dass sie einen Einbruch verübt. Gemeinsam beschließen sie, ein eigenes Filmteam zu gründen und eine Dokumentation über einen Fluss bzw. Höhle mit Fluss drin zu drehen. Es passiert natürlich das übliche und naheliegendste:
Sie werden durch ein Rohrsystem in tieferliegende Höhlen gesaugt, die von dem außerirdischen und blauhäutigen Volk der Vineaner angelegt wurden. Diese hatten es sich in tiefliegenden Höhlen der Erde gemütlich gemacht. Sie flüchteten bereits vor 2,4 Millionen Jahre hierher, da ihr Planet unbewohnbar wurde, waren aber noch nicht allzu lange aus dem selbst verordneten Tiefschlaf erwacht.
Spielt nicht in Deutschland - der vergessen Planet
Freundschaft schließen unsere Helden direkt mit den Vineanern Khany und Poky. Poky ist ein kleines Mädchen, Khany eine junge Frau im Alter von Yoko. Die beiden sind Zwillingsschwestern, aber Poky wurde 20 Jahre später aus dem künstlichen Tiefschlaf erweckt. Inwiefern sich dies in späteren Jahren noch zu Dramen entwickeln könnte überlasse ich der Fantasie der Leser. In späteren Abenteuern treffen Yoko & Co auf Vinea auch noch auf Synda, der Mutter von Khany und Poky die im Khanys Alter in Tiefschlaf versetzt wurde vermutlich, um das mögliche Familiendrama perfekt zu machen.
Die Idee für die Vineaner hatte Leloup durch den Friseurladen seines Vaters bzw. ein dort hängendes ausgebleichtes Werbeplakat für Nivea. Die Haut des abgebildeten Models wirkte aufgrund der Alterung blau und die Idee war geboren bzw. verbarg sich bis zur Reife im Oberstübchen des Autors. So ist auch der Name der Vineaner ein Anagramm des Markennamens Nivea.
Auch wenn etliche Abenteuer mit den Figuren mit blauem Migrationshintergrund zu tun haben, werden auch andere beliebte Themen der Science Fiction verarbeitet. So gibt es Zeitreisen, Roboter, (Roboter)-Drachen, medizinische Experimente etc.
Gezeichnet hat Leloup als Vertreter der „Ligne claire“ die Abenteuer sehr aufwändig und mit besonderer Liebe zum Detail vor allem bei der Darstellung von Technik. Dazu ließ er sich auch gerne reale Modelle anfertigen, um die Raumschiffe, Magnettransportteilchen usw. aus jeder Perspektive schlüssig und akkurat darstellen zu können.
Auch reale Schauplätze werden extrem präzise dargestellt. Ein besonderes Faible entwickelte Roger für Deutschland und seine historische Architektur. Viele Abenteuer spielen hier, so werden u.a. abgebildet und in Comicfarbe gegossen:
- Die Burg Katz (Die Orgel des Teufels)
- Rothenburg ob der Tauber (Zwischen Leben und Tod)
- Wuppertaler Schwebebahn und Burg Eltz (Wotans Feuer)
- Burg Pfalzgrafenstein (Rheingold)
Die Inhalte der Geschichten sind vor allem bei den frühen Abenteuer durchaus gut durchdacht und haben neben den ausgezeichneten Bildern sicherlich mit dazu beigetragen, dass man die Storys auch heute noch lesen kann. Natürlich gibt es wie bei allen Science Fiction Themen gewisse logische Lücken aber sie waren nie so abgefahren, dass sie völlig unglaubwürdig oder lächerlich wirkten, was für eine 50 Jahre alte Serie bestimmt nicht sehr üblich sein dürfte.
In Deutschland erschien Yoko zunächst in der Reihe Topix mit jeweils abgeschlossenen Geschichten. Wie bei dem Verlag oft so üblich wurden die Hauptpersonen erst einmal umbenannt. Aus Yoko Tsuno wurde Joko Zuno (?), aus Pol Pitron „Paul“ (kann man gelten lassen) und aus Vic Video „Max“ (gut, hat auch drei Buchstaben).
Auch die Original-Titel fielen dem persönlichen Geschmack der Übersetzer zum Opfer und Yoko bekam den Zusatztitel „Das Karate Girl“ verpasst, wobei doch während der Kämpfe eindeutig zu erkennen sein sollte, dass wir hier von Aikido reden.